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Einleitung – Muss Philatelie nicht eigentlich Philotelie heissen?

      Die Bezeichnung „Philatelie“ für unser Hobby verwenden wir seit Jahrzehnten – wahrscheinlich, ohne uns viele Gedanken über diesen Begriff zu machen. Bekannt sind vielleicht noch Begriffsklärungen wie die im Online-Lexikon → Wikipedia oder in Hägers Grossem Lexikon der Philatelie; bei Häger heisst es beispielsweise Philatelie, aus dem altgriech. Wort Philos = Freund und ateleia = Gebührenfreiheit abgeleitetes Kunstwort […]“.
      Ich kam auch erst im 19. Jahr des Bestehens dieser Website darauf, mich mit diesem Begriff näher zu beschäftigen. Der Auslöser war der Erwerb der kompletten Ausgaben der Philotelia, der Zeitschrift der Hellenic Philatelic Society, in digitaler Form. Beim ersten Durchblättern stellte ich fest, dass sich gleich in den ersten drei Ausgaben 1924 ein umfangreicher – wie anfangs noch üblich, dreisprachiger (griechisch/französisch/englisch) – Artikel mit diesem Thema beschäftigte. 2009 wurde das Thema in der Philotelia noch einmal mit einem umfassend recherchierten historischen Rückblick aufgegriffen. Die Geschichte ist so interessant, dass ich sie Ihnen in stark verkürzter Form hier erzählen möchte.

      Nicht ohne Grund widmete sich eine griechische Zeitschrift diesem Thema, denn die Kunstwörter Philotelie und Philatelie haben beide einen griechischen Ursprung.
      Über den ersten Teil des Wortes, den Philos (Freund), muss man nicht diskutieren. Beanstandet wurde von Macrymichalos 1924 die Verwendung des Begriffs ateleia (Gebührenfreiheit), die der Franzose Herpin 1864 in einem Brief an die Zeitschrift Le Collectionneur des Timbres Poste vorgeschlagen hatte. Gebührenfrei war eine Sendung nach Einführung der Briefmarke für den Empfänger, aber die Objekte unseres Hobbys sind ja gerade diese Marken, die der Absender aufbringen musste.

      Macrymichalos schrieb über diesen Beitrag von Herrn Herpin „It is evident from the above that notwithstanding his reputation as being a learned man the contributor was completely strange to the Greek language, since he used for the construction of the term, instead of the word ‚telos‘ (tax, duty) the word ‚ateleia‘ (exception from postage duty, ‚franchise postale‘ as say the French) which he thought was meaning ‚affranchisement‘ viz enfranchisement, payment of postage duty.“
      Einem Franzosen, der ein Wort seiner Muttersprache falsch ins Griechische übersetzte, verdanken wir also den Begriff Philatelie. Macrymichalos weist mit Bedauern darauf hin, dass sich Philatelie in allen Varianten in praktisch allen Sprachen etabliert hat. Er schliesst seinen Beitrag mit einem Appell:
      „With this persuasion we are appealing to the Philotelic Press of the whole world, asking them to contribute by a quick propaganda to the success of spreading the new term ‚Philotely‘.“

      Heute wissen wir, dass dieser Aufruf ins Leere ging und dass sich die etymologisch falsche Bezeichnung durchgesetzt hat. Virvilis’ ausführliche Studie aus dem Jahr 2009, die in die Anfangszeit des Briefmarkensammelns zurückgeht, zeigt allerdings, dass dies eine knappe Entscheidung war. In Deutschland, wo die Einführung des Begriffs Philotelie erstmals diskutiert wurde, wurde 1871 in Hamburg ein Philotelisten-Club gegründet, und bei einem Treffen von „German Philatelists“ (Virvilis; nicht näher spezifiziert) 1872 entschied sich eine Mehrheit der stimmberechtigten Mitglieder für Philotelie (was interessanterweise von Virvilis auf das damalige Bildungsbürgertum zurückgeführt wird, das über genügend Kenntnis des Griechischen verfügte, um den Fehler in Philatelie zu erkennen – heute würde das sicher nicht mehr passieren).

      In Grossbritannien habe (nach Virvilis) der Duke of Edinburgh anlässlich der Briefmarkenausstellung 1890 erwähnt, dass der Begriff philotely gegenüber philately vorzuziehen sei.
      Nach eigener Recherche im Online-Archiv der Times kann ich das nicht bestätigen. In einem Bericht über die Eröffnungsveranstaltung dieser Ausstellung zum 50. Geburtstag der Briefmarke wird er in dem Zeitungsbericht mit den Worten zitiert „The exhibition is one of great interest not only to stamp collectors and to those who follow the science of philately, but also to the general public.“ Der Postmaster General, damals Henry Cecil Raikes, erwähnte in seiner Ansprache jedoch, dass er die Bezeichung philotely bevorzuge. Zum Ende der Veranstaltung gab es noch eine Diskussion („an interesting, if desultory, conversation“ schrieb die Times), da einige der Anwesenden mit Raikes’ Sicht nicht einverstanden waren.

      Die Zeitschrift der Hellenic Philatelic Society heisst bis heute Philotelia. Die Artikel, die ausser in Griechisch auch in Französisch (bis 1984) und Englisch (bis heute) übersetzt wurden, verwendeten auch in diesen Übersetzungen den Begriff philotélie bzw. philotely/philotelic. Dies wurde 2005 aufgegeben; seither heisst es in den englischen Texten philately/philatelic.

Letzte Ausgabe der Philotelia
im Jahr 2017:
„Journal of the
Hellenic Philotelic Society“
Erste Ausgabe der Philotelia
im Jahr 2018:
„Journal of the
Hellenic Philatelic Society“

      Seit 2018 finden Sie den Namen der Gesellschaft in der englischen Form als Hellenic Philatelic Society. In der griechischen Fassung wird sowohl für die Zeitschrift wie für den Namen der Gesellschaft das Philo- (Φιλο) bis heute beibehalten.


Literatur:


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Erste Veröffentlichung am 22. September 2023, letzte Bearbeitung am 22. September 2023.


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