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Schweiz –Kantonalmarken: Genf I (Doppelgenf)

      Legende unter Philatelisten ist sie, die „Doppelgenf“, ein Ferrari oder Lamborghini unter den klassischen Briefmarken, eine jener Ausgaben also, von denen unzählige Sammler träumen, die aber nur wenige je besitzen werden.

      Worin liegt der Reiz gerade dieser Ausgabe? Ist es vielleicht das Markenbild, dieses 2-in-1, die Wiederholung des Motivs auf einer Marke, die doch eigentlich nur eine Marke ist? Vergleichbare, ebenfalls teilbare Marken von Braunschweig oder Mecklenburg-Schwerin haben allerdings nie den geradezu legendären Status einer Doppelgenf erreicht; vielleicht, weil die geteilten Stücke dieser altdeutschen Ausgaben nicht mehr so als „ganze Marke“ wirken wie das bei einer halben Doppelgenf immer noch der Fall ist? An der Auflage kann es nicht liegen, die MiNr. 9 von Braunschweig etwa wurde nur 16 Mal häufiger gedruckt als die Doppelgenf (950 000 zu 60 000), der Preisunterschied aber beträgt mehr als das Tausendfache!
      Frank Arnau hat in seinem „Lexikon der Philatelie“ eine fast schon philosophische Betrachtung über die „Zürich 4“ und „Zürich 6“ im Vergleich zur „Doppelgenf“ angestellt; er schreibt u. a.:

      „Der Gegensatz zwischen den beiden ‚harten‘ Rappen-Marken Zürichs und dem kleinen, zierlichen, zarten und einfach amüsanten, im besten Sinne vom französischen Esprit geschaffenen Genfer Postwertzeichen ist ebenso unverkennbar wie der zwischen der Lebensphilosophie der Menschen an der Limmat und am Lac Léman.
      Ganz besonders eindrucksvoll tritt das zutage bei der Betrachtung des Sechserstreifens der Doppel-Genf. Sogar in dieser Häufung wirkt sie nicht schwer: im Gegenteil noch aufgelockerter und ornamentaler. Würde man demgegenüber zwölf Zürich-4- oder 6-Rappen-Marken als Doppelstreifen zusammenkleben, so bliebe nichts anderes übrig als das Bild einer ganz gewaltigen Zahl.“

      Genug Schwärmerei, schauen wir uns die Geschichte dieser Ausgabe einmal näher an. Das Genfer Finanz-Departement beschloss in der Sitzung vom 13. Juni 1843 unter Punkt 2 des Protokolls (vollständiger Text bei Mirabeau/Reuterskiöld):

      „Betreffs des Gebrauchs von Marken oder Umschlägen, welche das Kantonalporto darstellen und zur unentgeltlichen Beförderung der für das Inland bestimmten Briefe berechtigen: Ohne ihre Meinung näher begründen zu wollen, erkennt die Verwaltung bei dieser in England und in Zürich eingeführten Massregel gewisse Vorteile, weshalb sie dem Bundesrate vorschlägt, den Grundsatz derselben anzunehmen und die Behörde mit der Ausarbeitung eines brauchbaren Entwurfes zu beauftragen.“

      Genf wollte also Briefmarken einführen, nur: Welche? Es gibt umfassende Berechnungen über die Einnahmen aus dem Post-Aufkommen für verschiedene Portostufen, und schliesslich einigte man sich (Sitzung des Regierungsrates vom 13. September 1843, detaillierte Ausführungsbestimmungen verabschiedet in der Sitzung des Finanz-Departements vom 26. September 1843) auf einen Tarif von

 

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      Die neumodischen Briefmarken wurden zunächst nur zögernd vom Publikum angenommen. Da die Post sehr schnell die Vereinfachung im Betrieb durch den Gebrauch von Marken merkte, entschloss man sich zu einer „Marketing-Massnahme“:
      Ab dem 1. März 1844 wurde der Schalterpreis für die Doppelgenf, also einen Markenwert von 10 Centimes, auf 8 Centimes reduziert, die halbe Doppelgenf im Wert von 5 Centimes wurde für 4 Centimes verkauft. Unfrankierte Sendungen dagegen kosteten nach wie vor 5 bzw. 10 Centimes.

      Die Verwendung von Marken brachte also eine Ersparnis von 20% – und schon stieg der Anteil der Briefmarken-Benutzer!

      Interessant bei dieser ersten Genfer Ausgabe ist die Tatsache, dass in allen offiziellen Dokumenten über die geplanten Marken immer von „der Marke“ die Rede ist und es entsprechend z. B. im für die Öffentlichkeit bestimmten „Anzeiger der Republik und des Kantons Genf“ vom 27. September 1843 heisst (s. o.) „Eine einzige Marke frankiert einen der Post für das Innere derselben Gemeinde übergebenen Brief …“.

      Drei Tage später war die Doppelgenf am Schalter, sie muss also zum Zeitpunkt dieser Verlautbarung schon gedruckt gewesen sein, trotzdem wird mit keinem Wort auf den besonderen Charakter dieser teilbaren Marken eingegangen; als „die Marke“ oder „eine Marke“ gilt immer die halbe Doppelgenf zu 5 Centimes.

      In der Literatur habe ich keinen Hinweis darauf finden können, wann, warum oder von wem initiiert man sich für diese besondere Art der Markengestaltung entschieden hat.

      Schauen wir uns die Doppelgenf einmal an. Wie bei den Kantonalmarken aus Zürich kann ich Ihnen auch hier kein Original aus meiner eigenen Sammlung zeigen – dafür wäre ein substanzieller Lottogewinn erforderlich –, aber ich besitze die Ländersammlung „Schweiz“ aus einem Fournier-Album, die ein senkrechtes Paar der Doppelgenf enthält. Die Charakteristika dieser Ausgabe lassen sich auch an diesen Kopien zeigen.

Kanton Genf, erste Ausgabe: Senkrechtes Paar der Doppelgenf, Fournier-Kopie
Doppelgenf (Fournier-„Facsimile“)

      Das Markenbild ist ein Fest für Heraldiker; bei Mirabeau/Reuterskiöld findet sich eine detaillierte Erklärung auf fast drei Seiten. Auffallend (wenn man weiss, worauf man achten muss – ob das alle Doppelgenf-Besitzer schon bewusst registriert haben?) ist die stark religiöse Komponente im Genfer Wappen, in der Calvin-Stadt Genf nicht erstaunlich. Achten Sie einmal auf die Details, z. B. die kleinen Buchstaben JHS im Strahlenkranz, sie stehen für „Jesus Hominum Salvator“ (Jesus, Retter der Menschen). Die Inschrift im Band lautet „POST TENEBRAS LUX“, „Nach der Dunkelheit das Licht“. Dieser Spruch aus der Zeit der Reformation ist der Wahlspruch der Stadt Genf; Sie finden ihn heute noch an prominenter Stelle am 1917 errichteten → Reformationsdenkmal in der Rue de la Croix-Rouge in Genf.

      Oben, übergehend über beide Marken, findet sich eine Randleiste mit der Inschrift 10.  PORT CANTONAL.  Cent., da beide Marken zusammen, wie oben ausgeführt, dem Tarif innerhalb des Kantons entsprachen; die einzelne Marke trägt unten die Inschrift Port local.
      Auffällig ist ausserdem ein deutlicher Grössenunterschied zwischen den beiden Hälften: Die linke Marke ist zwar gleich hoch wie die rechte, aber 1,25 mm schmaler.
      Gemäss den Vorschriften musste die obere Randleiste bei der Verwendung einer einzelnen Marke im Ortsverkehr entfernt werden, was allerdings meist nicht geschah. Diese Marken sind damit seltener, werden aber trotzdem weniger hoch bewertet. Auch eine halbe Doppelgenf mit abgeschnittener Randleiste lässt sich leicht als linke oder rechte Hälfte einordnen, achten Sie (vgl. Bild oben) auf den Abstand des Schriftbandes zum rechten Rand.

      Typenunterschiede wie bei den Zürich 4 und Zürich 6 gibt es bei der Doppelgenf nicht, da alle 50 Klischees vom selben Urstein stammen. Gedruckt wurde die Doppelgenf in Bogen mit 10 Reihen à 5 Doppelgenf (also 10 Marken zu 5 Centimes pro Reihe) im Steindruck auf gefärbtem Papier. Wichtig für den Sammler: Das relativ billige Papier bleicht leicht aus; wenn Sie eine Doppelgenf besitzen, achten Sie darauf, sie vor direkter Sonneneinstrahlung zu schützen.


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Erste Veröffentlichung am 12. Juni 2005, letzte Bearbeitung am 1. Januar 2016.


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