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Frankreich – Ballons, Brieftauben und Schwimmkugeln
Postverkehr aus und nach Paris während der Belagerung 1870/71

      Le siège de Paris, die Belagerung von Paris, war ein schwerer Schlag für die stolze Grande Nation und führte letztlich zum Waffenstillstand vom 26. Januar 1871 und dem Ende des Krieges. Die historischen Ereignisse sind allgemein bekannt; nach meiner Erfahrung auch unter Philatelisten weniger bekannt sind die postgeschichtlichen Besonderheiten der Belagerung. Erstmals sehen wir in dieser Zeit eine reguläre „Luftpostbeförderung“, und das gleich in recht grossem Stil: Zweieinhalb Millionen Briefe und Karten beförderten die Ballons aus Paris heraus!
      Betrachten wir den Postverkehr einer belagerten Stadt, ist es sinnvoll, die ausgehende und die eingehende Post getrennt zu diskutieren, denn die Methoden, derer man sich bediente, waren naturgemäss sehr verschieden.
 

Post aus Paris: Les ballons montés

      Mit dem Aufstieg des Ballons „Neptune“ am 23. September 1870 beginnt die Geschichte der Pariser Ballonpost, sie endet – schon nach dem Waffenstillstand – mit der Fahrt (1) des „Général Cambronne“ am 28. Januar 1871. Insgesamt haben 67 Ballons Post, Passagiere, Hunde, Brieftauben, Technik zur Mikrofotografie (s. u.) und Sprengstoff aus Paris herausgebracht. Ihre Fahrten dauerten zwischen 20 Minuten und 15 Stunden, und sie legten dabei zwischen 12 und 1300 km zurück. Und: Sie schrieben Postgeschichte – die 11 651 kg Briefe und Karten, die von 54 dieser Ballons transportiert wurden, dürfen als die erste reguläre Luftpost der Geschichte bezeichnet werden: Der Postverkehr mit den ballons montés war ganz offiziell durch einen Erlass geregelt.

      Alle Details zu den einzelnen Ballonaufstiegen – Name des Ballons, des Piloten und allfälliger Passagiere, Volumen der Ballonhülle, Startzeit, Landeort, Dauer der Fahrt, zurückgelegte Strecke – sind in der Literatur bestens dokumentiert; eine umfassende tabellarische Übersicht gab es schon vor 80 Jahren im Yvert-Katalog. Mit der Ballonpost beförderte Briefe sind bei Sammlern, nicht zuletzt als frühe Luftpost-Belege, sehr beliebt. In der deutschen Wikipedia heisst es unter dem Stichwort „→ Pariser Ballonpost„Das Sammelgebiet der Pariser Ballonpost ist eines der beliebtesten und interessantesten, aber auch teuersten der Philatelie“. Das ist vielleicht etwas übertrieben; trotz der grossen Zahl von geschätzt zwei bis zweieinhalb Millionen Briefen und Karten, die par ballon monté befördert wurden, sind diese Belege tatsächlich heute nicht sehr zahlreich auf dem Markt und auch deutlich teurer als vergleichbare „normale“ französische In- und Auslandsbriefe aus der Zeit um 1870, aber für (im besten Fall) 200 bis (realistisch) etwa 400 Euro kann man schon ein schönes Stück erwerben. Es gibt teurere Sammelgebiete …

      Wirklich teure Spezialitäten und Raritäten gibt es natürlich auch innerhalb des Gebietes Ballonpost; dazu ein Beispiel: Ein mit dem am 7. Oktober 1870 aufgelassenen Ballon L’Armand Barbes beförderter Brief nach St. Petersburg wurde bei einer Auktion im Februar 2011 (→ Cherrystone, New York; Los Nr. 455 (2)) auf US$ 12 500,– geschätzt und für US$ 18 000,– zugeschlagen. Dieses Stück ist aus zwei Gründen etwas Besonderes: Die seltene Destination in Russland ist wohl der wichtigste Aspekt – Sie können Briefe und Karten von L’Armand Barbes, die an Empfänger innerhalb Frankreichs gingen, auch zu deutlich moderateren Preisen erwerben –, aber gerade diese sechste Ballonfahrt hatte auch eine spezielle historische Bedeutung: L’Armand Barbes hatte erstmals zwei Passagiere an Bord, den französischen Innenminister Léon Gambetta und seinen Sekretär Spuller. Man ging davon aus, dass Gambetta im unbesetzten Teil Frankreichs mehr für sein Land tun könne, als wenn er im besetzten Paris geblieben wäre, und so entschied man sich für diese durchaus riskante Aktion.
      Eine Sammlung exquisiter und durchweg sehr hochpreisiger Ballonbriefe (Ausrufpreise im mittleren bis höheren fünstelligen Bereich; das Spitzenstück [CHF 100 000,–] war ein Brief mit dem Ballon Tourville nach Natal/Südafrika) kam im Juni 2022 bei Bach in Basel unter den Hammer; der → Katalog wird sicher selbst ein Sammlerstück.

      Der Vollständigkeit halber sollte noch die Ballonpost von Metz erwähnt werden. Diese markenlosen, federleichten Briefe („leicht wie ein Schmetterling“) sind als papillons de Metz bekannt und noch wesentlich seltener als Belege der Pariser Ballonpost.
 

Post nach Paris: Brieftauben und Boules de Moulins

      Ein nicht lenkbares Luftfahrzeug wie ein Ballon ist dafür geeignet, Personen und Dinge von einem Ort wegzubringen, vor allem, wenn es wirklich ein „heraus, egal wohin“ ist, wenn es den Passagieren also wirklich nur um eine Flucht geht und das Ziel letztlich keine Rolle spielt.

      Mit einem Ballon nach Paris herein zu kommen, war allerdings nicht möglich. Zwei Methoden ersannen die findigen Pariser, um Nachrichten (keine Personen) von ausserhalb in das belagerte Paris zu bringen: Brieftauben und die unter Philatelisten berühmten Schwimmkugeln.

      Brieftauben waren eine logische und naheliegende Lösung: Aus Paris stammende Tauben wurden mit einem Ballon aus der Stadt gebracht und folgten dann ihrem natürlichen Trieb, in den heimischen Schlag zurückzukehren. Für den Nachrichtentransport kam echte damalige „High-Tech“ zum Einsatz: Botschaften wurden mikroverfilmt und dann am Zielort in speziellen Betrachtern projiziert; die Nachrichten wurden abgeschrieben und dann den Personen zugestellt, an die sie gerichtet waren.

      Nicht weniger genial, aber leider im Gegensatz zur Idee mit den Brieftauben ein völliger Fehlschlag, war das Konzept der „Boules de Moulins“. (Im Örtchen Moulins im Departement Allier war das Projekt angesiedelt.) Das von den Herren Vonoven, Robert und Delort erfundene System sah vor, dass oberhalb von Paris am Lauf der Seine Schwimmkugeln mit Nachrichten ins Wasser gebracht wurden. Theoretisch – sehr theoretisch, denn nicht eine erreichte ihr Ziel; die letzte wurde erst in den 1980er Jahren geborgen – war der Auftrieb der Kugeln so exakt austariert, dass sie weder an der Oberfläche schwammen (wo die Deutschen sie sicher abgefangen hätten) noch auf den Boden sanken; in Paris sollten sie dann in speziellen Netzen, die man im Fluss gespannt hatte, aufgefangen werden. Die Erfinder schlossen am 6. Dezember 1870 einen Vertrag mit der Postverwaltung, aus dem sich das hohe Porto für diese Sendungen erklärt: Immerhin 1 Franc betrug der Tarif für einen Standardbrief! Die Postverwaltung behielt davon den normalen Satz von 20 Centimes für sich, 80 Centimes gingen an die drei Erfinder. 40 Centimes waren bei der Aufgabe, weitere 40 Centimes nach Ablieferung des Briefes von der Post an die drei zu bezahlen. Vonoven blieb für diese Regelung in Paris, während Delort und Robert Paris mit dem Ballon Le Denis Papin am 7. Dezember verliessen. Wie gesagt: Theoretisch sehr gut, praktisch leider ein Totalausfall.

      Schwimmkugel-Briefe kommen nur äusserst selten in den Verkauf und erzielen dann sehr hohe Preise – Ballonpostbriefe sind im Vergleich zu ihnen Massenware. „Das rein zahlenmäßige Verhältnis des aufgefundenen (und noch vorhandenen) Materials zwischen Schwimmkugel- und Ballonpost dürfte vielleicht bei eins zu tausend liegen“ schreibt Heyd (1979). Ich hatte das Glück, einen solchen Brief relativ günstig erwerben zu können; Sie sehen ihn auf dieser Seite.


Fussnoten:

  1. Sie erinnern sich sicher an die alte Regel, wonach alles, was schwerer ist als Luft, fliegt, während alles, was leichter ist als Luft, fährt? Sie können das an vielen Stellen im Web nachlesen; ich habe → eine Quelle dazu für Sie herausgesucht.
  2. Wenn Sie den Brief und die detaillierte Beschreibung anschauen möchten, finden Sie ihn gleich als erstes Los auf → dieser Seite.

Literatur:


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Erste Veröffentlichung am 2. September 2013, letzte Bearbeitung am 12. Juni 2022.


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